Vortrag von Herrn Johannes Pflug

In den Räumen der SOCIETÄT DUISBURG e.V., 18. November 2018

Heute treffen wir uns an einem Sonntag und bei verändertem Format, wir fangen schon am Vormittag um 11:00 Uhr an und zuerst der Vortrag und dann das Essen.

Am Eingang empfängt uns das lodernde Feuer im Kamin. Aber heute gibt es noch etwas Besonderes: Eine Eisenbahn (im 0-Format) fährt im Kreislauf von Chongqing nach Duisburg und zurück – den beiden Endpunkten der neuen Seidenstraße. Dazu gibt es passend chinesische Vasen, Lampions, Ess-Stäbchen, Glückskekse und vieles andere noch aus diesem Kulturkreis – eine wirklich perfekte Einstimmung!

Wie üblich wird der Referent vom Vorsitzenden vorgestellt, was in diesem Fall bedeutet, Eulen nach Athen zu tragen. Herr Johannes Pflug ist bereits das dritte Mal bei uns – unvergessen sein letzter Vortrag zu Nordkorea. Heute ist Herr Pflug China-Beauftragter der Stadt Duisburg im Ehrenamt, allerdings ist er jeden Tag gefragter Gesprächspartner für Stadt, Industrie und Handel zum Thema China. Aber warum spielt Duisburg so eine zentrale Rolle im China-Geschäft?

Dazu schaut man am besten zunächst etwas zurück in die jüngere Geschichte, die vielleicht in drei Phasen eigeteilt werden kann:

Zum ersten hatte Duisburg die erste Städtepartnerschaft mit einer chinesischen Stadt (Wuhan) vor 36 Jahren aus der Taufe gehoben. Es folgte Schüleraustausch und eine Universitäten Kooperation.

Zum zweiten folgte der Empfang des ersten regulären Zuges durch Chinas Präsident Xi Jinping in Duisburg am 28. März 2014. Mittlerweile ist die Anzahl der Züge von zwei wöchentlich auf 35 angestiegen. Allein dafür gibt es im logport 6.000 Beschäftigte und die Warenbalance ist mittlerweile bei einem Verhältnis 60%/40% angekommen.

Zum dritten strahlen die Tätigkeiten vom Hafen auf die Stadt aus. Es kommen chinesische Investoren, es wird über ein Trade-Center gesprochen und ebenso über die Nutzung innerstädtischer Areale. Ein Beispiel ist der Verkauf des ehemaligen „Uni Polster“ Hauses an die Chinesen.

Duisburgs Vorteile für den Endpunkt der neuen Seidenstraße sind aber auch unübersehbar: Der größte Binnenhafen, etliche umgebende Autobahnkreuze, ein Eisenbahnkreuzungspunkt und der Flughafen, schneller von Duisburg als von Düsseldorf zu erreichen ist. Duisburg stellt das Tor zu Westeuropa dar.

Im Altertum hatten wir schon eine Seidenstraße mit Seitenpfaden bis zu 120.000km lang. Später übernahm die Schifffahrt die Handelsrute, da geologische und klimatische Herausforderungen damit besser zu meistern waren. Auf dieser Straße wurden aber nicht nur Waren transportiert, wie Gewürze, Kleidung, Nahrung und Schießpulver Richtung Westen und Glas und Edelsteine Richtung Osten. So gelangten aber auch Ideen, Ideologien und Krankheiten auf die jeweils andere Seite.

Die neue Seidenstraße führte zunächst über die Mongolei nach Europa, bei Irkutsk kam man dann auf die Transsib – damit führte der längste Streckenabschnitt über russisches Gebiet, geopolitisch nicht unbedingt von den Chinesen favorisiert. Außerdem lässt der Abschnitt über die Mongolei nur geringe Geschwindigkeiten und wenig Ladekapazität zu. Damit steigt die Fahrzeit auf 20 Tage. Die neue Variante führt nun über Kasachstan, erst bei Jekaterinburg trifft diese Route auf die Transsib. Jetzt braucht der Zug nur 12 Tage, es wird zweimal umgespurt von Normal- auf die Breitspur und wieder zurück.

Für China ist die Aktivierung der Seidenstraße aber weitaus mehr. Sie wollen Billionen in die Infrastruktur stecken. 2015 wurde der 13. 5-Jahresplan verabschiedet, damit verschiebt China den Schwerpunkt von rein quantitativ industriellem Wachstume auf nun qualitatives. Man investiert nun vermehrt in neue Materialien, neue Energien, Biomedizin, IT und KI (Künstliche Intelligenz); das schließt auch den Erwerb von Patenten ein. Insgesamt ist die neue Seidenstraße ein großer Komplex an Maßnahmen:

  • Aufbau eines leistungsfähigen Eisenbahnnetzes,
  • Auch als maritime Variante über das Südchinesische Meer, Rotes und Mittelmeer, dazu zählen auch viele Hafenbeteiligungen auf allen Kontinenten
  • Leitungssysteme für Energie (Öl & Gas), gerade direkt mit Russland und Kasachstan
  • Aufbau von Wirtschaftskorridoren entlang der alten Seidenstraße und Seitenpfaden, so z.B. von Kaschgar nach Gwadar in Pakistan und
  • Direktflugverbindungen in verschiedene europäische Städte

Aber wie positionieren sich nun Duisburg, Deutschland oder gar die EU gegenüber der riesigen Herausforderung mit dem chinesischen Bemühen, ihre Infrastrukturbemühungen zu exportieren? Leider sehr heterogen und insgesamt ist man eher bescheiden vorbereitet. Es passierte in der jüngeren Vergangenheit sehr schnell, dass die gesponserte Infrastruktur den jeweiligen Standorten eher zum Nachteil gereicht, geraten die Rückzahlungen ins Stocken gehen die jeweiligen Infrastrukturen in chinesisches Eigentum über.

Wir brauchen unbedingt einen gemeinsamen EU-Standpunkt zu Vorstellungen und Spielregeln, aber auch Evaluierung und eigene Investitionen für derartiger Geschäfte. Und wir sollten es auch als riesige Chance für die eigene Entwicklung sehen.

Ein wirklich detailreicher und kompetenter Vortrag endet. Natürlich gibt es viele Fragen, die auch alle beantwortet werden.

Nun können wir uns dem zweiten Teil zuwenden, dem Essen, welches Spezialitäten aus China und Duisburg bereithält. Wir geben uns diesem Angebot genussvoll hin. Wir sitzen noch lange zusammen und lassen den Nachmittag langsam ausklingen.

(Text: Dr. Ralf Tempel, Fotos: Dr. Michael Greeske)