Wir fahren in die (ziemlich) Mitte Deutschlands. Der Harz erstreckt sich über eine Länge von 90km und einer Breite von 30km, dazu kommt noch die Fläche des Harzvorlands. Das ganze Gebiet steht für bedeutende mittelalterliche Städte, Wasserwirtschaft und Bergbau. Die Berglandschaft bietet Wanderwege, Stauseen, eine gewaltige Hängebrücke, Höhlen, einen Dampfzug. Jahrhundertelang prägte Bergbau die Region und hinterließ die UNESCO-Weltkulturerbe-Stätten der Oberharzer Wasserwirtschaft, die Altstadt Goslars und das Bergwerk Rammelsberg.
Donnerstag, 28. April – Anreise nach Bad Lauterberg
Pünktliche Abfahrt ab Duisburg bei bestem Wetter. Wir sind gutgelaunt, die Bordverpflegung ist optimal, besser kann die Fahrt nicht beginnen als mit leckeren Brötchen, Kaffee und einem „Piccolöchen“. Nach einem Zwischenstopp kurz hinter Kassel mit obligatorischem 3-Gänge-Menü am Bus setzen wir die Fahrt fort bis kurz vor unserem Standortquartier für die nächsten sechs Tage: Wir halten in Walkenried, genauer am dortigen ZisterzienserMuseum Kloster Walkenried. Vor fast 900 Jahren errichtet als Ausgründung des Klosters Kamp, fand fast 400 Jahre lang eine klösterliche Nutzung statt. Man widmete sich der Montanwirtschaft in unmittelbarer Umgebung und der Landwirtschaft im entfernteren Thüringen und Sachsen-Anhalt – früher war das alles Sachsen. Aufgrund seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten wurde das Kloster Walkenried zu einem der reichsten und politisch bedeutendsten Klöster des Reformordens der Zisterzienser.
Ora et labora et lege; all das finden wir während der Besichtigung wieder: Zu Hochzeiten lebten hier 80 Chorbrüder und bis zu 240 Halbbrüder, wir sehen das riesige Portal der ehemals größten, norddeutschen, gotischen Klosterkirche, das weite, trockengelegte Ried, den Kreuzgang und das Skriptorium neben vielen anderen Räumlichkeiten der Klosteranlage.
Die für den Bau verwendeten Kalksteine und der Fugengips stammen aus diesem Gebiet, wir können die Felsen aus Karstgestein gut erkennen. In den letzten 500 Jahren erfuhren die verwendeten Steine eine Widernutzung in dem nun weitläufigen und wehrhaften Wirtschaftshof.
Kurz darauf erreichen wir unser Hotel in Bad Lauterberg, wir richten uns ein und treffen uns anschließend zu unserem Abendessen. Eine exzellente Küche erwartet uns.
Freitag, 29. April – Wernigerode
Wir fahren quer durch den Nationalpark Harz. Erschreckend ist das Ausmaß des Waldsterbens – riesige Flächen sind kahl, die Stämme liegen oder stehen als verdorrter Stamm … und sind mehr als sprachlos. Zu sehen sind auch die verschiedenen Ursachen, wie anhaltende Trockenheit, Borkenkäfer, Stürme und Waldbrände. Uns bleibt die Hoffnung auf eine Wiederbelebung.
Endlich erreichen wir Wernigerode und wenden uns zuerst dem Schloss zu, welches erst Burg, danach Schloss und später dann ein Prinzessinnen Schloss (wegen der vielen – nachträglich – errichteten Türmchen) wurde. Begrüßt werden wir im Innenhof mit einem Gläschen Sekt, sichtlich belebt starten wir zum Rundgang durch die Räumlichkeiten und ihrer innewohnenden Geschichte.
Das Mittagessen erwartet uns im „Weißen Hirsch“, direkt am Marktplatz von Wernigerode und gegenüber dem Rathaus gelegen, eine gebackene Forelle aus Wendefurth, welch ein Gedicht!
Anschließend startet unsere Kremser Fahrt, ausgehend vom mittelalterlichen Rathaus kreuz und quer durch die historische Altstadt mit den vielen Fachwerkhäuschen und einschließlich des „Schiefen Hauses“.
Auf dem Rückweg erwartet uns noch ein kleiner Leckerbissen im Baumkuchenhaus, wo Interessantes zur Geschichte, Herstellung und zum Geschmack zu erfahren ist.
Samstag, 30. April – Okerstausee & Goslar
Mit unserem Bus geht es entlang des Harzes zum Okerstausee bei Altenau. Hier besteigen wir das einzige Ausflugsschiff und fahren u.a. zum Hauptstauwerk (ist eine Bogengewichtsmauer, konstruiert von einem Franzosen, die Grundkonstruktion besteht aus zwei Halbzylindern) und weiter zum Hilfsstauwerk, welches die beiden Zuflüsse Oker und Schwarzes Wasser reguliert. Ohne letzteres könnte der Wasserspiegel bis zu 2m / Tag bei Hochwasser und Schneeschmelze ansteigen. Der Stausee dient auch der Trinkwasserversorgung für die Nordharzgebiete bis hin nach Bremen. Deshalb ist hier auch nur das Schwimmen und der Sportbootverkehr erlaubt.
Guter Stimmung machen wir uns anschließend nach Goslar auf. Zunächst erwartet uns ein kurzes Mittagessen im Restaurant „Weite Welt“, um dann mit dem Stadtrundgang durch die mittelalterliche Altstadt, beginnend mit Glocken- und Figurenspiel am Markt, vorbei an den vielen Häusern aus dem 14. und 15. Jahrhundert – u.a. auch dem Siemenshaus aus dem 17. Jahrhundert, zu der Zeit als Siemens noch Simens geschrieben wurde.
Ein Höhepunkt stellt der Besuch der Kaiserpfalz dar, dem wohl bekanntesten Wohnort von Königen und Kaiser mit seiner fast 1000-jährigen Geschichte. Nach wechselvollen Zeiten wurde der zweigeschossige Saalbau (unten für Winter- und oben für Sommeraufenthalte) der Kaiserpfalz zwischen 1867 und 1875 baulich renoviert und mit 68 großformatigen, historisierenden Wandmalereien im Kaisersaal geschmückt – einfach beeindruckend!
Zurück nach Bad Lauterberg erwarten uns auch schon die losgelassenen Hexen bzw. Geister; es ist schließlich Walpurgisnacht. Es herrscht Volksfeststimmung, die ganze Stadt scheint auf den Beinen.
Sonntag, 1. Mai – Kyffhäuser & Barbarossahöhle
Unverhofft kommt oft oder „Wer weiß, wofür es gut ist“, so kann man unseren heutigen Start überschreiben. Statt des geplanten Aufenthaltes in Bad Frankenhausen und seinem Monumentalbild – Panorama Museum mit Bildern von Werner Tübke zur frühbürgerlichen Revolution, gibt es einen spontanen Halt in der Barockgemeinde Bendeleben (ca. 600 Einwohner) vor der Orangerie. Es wird die diesjährige Maikönigin, unser Veranstaltungswart Frau Katharina Tempel, ausgerufen und natürlich ist anschließend das Singen des Mailiedes obligatorisch. Wir stoßen auf das Wohl der Maikönigin an. Ein einzigartiger Moment.
Unverhofft kommt René Pfeiffer, der Ortsbürgermeister, vorbei und erzählt aus der Geschichte des Ortes. Leicht lässt er sich auch erweichen, uns die Orangerie und den zugehörigen Park zu zeigen. Welch ein außergewöhnlicher Vormittag!
Nun flugs auf zum Mittagessen „Zu den fünf Eichen“ und anschließend weiter zum Kyffhäuser, aber als wir unterhalb des Sockels stehen, beschließen wir diesen Blick zu bewahren und uns sogleich unweit zur Barbarossahöhle zu begeben.
Sie ist die einzige Anhydrit-Schauhöhle Europas, zufällig von Bergleuten bei der Suche nach Kupferschiefer entdeckt. Unglaubliche Blicke ergeben sich auf Hohlräume, Grotten und Seen. Das Anhydrit wandelt sich durch die Luftfeuchtigkeit in der Höhle oberflächlich zu Gips um und nimmt dabei an Volumen zu. Die so entstehenden Gipsschichten lösen sich allmählich von den Wänden ab und hängen ähnlich wie abfallende Tapeten. Weiter hinten erblicken wir auch Tisch und Thron von Barbarossa.
Überwältigt von dem etwas anders verlaufenen Tag lassen wir die Bilder am Abend nochmal Revue passieren.
Montag, 2. Mai – Quedlinburg & Hexentanzplatz
Unser hiesiger Führer Hajo begrüßt uns herzlich In Quedlinburg, auf plattdeutsch Queddelnborg. Er führt uns durch deren architektonisches Erbe, die Altstadt, die auf der UNESCO-Liste des Weltkulturerbes steht. Der Stolz ist der Stimme unseres Führers anzumerken, er erklärt die historischen Zusammenhänge kurz und prägnant – ohne Chichi – wir sind begeistert von seinen Worten. Er führt uns über das Kopfsteinpflaster der engen Gassen hin zu alten Höfen und kleinen Plätzen, die es hier die Masse gibt, fast scheint es so, dass wir Teil des Mittelalters wären. Es gibt noch über 2.000 Fachwerkhäuser. Der Ursprung liegt noch weiter zurück: 922 urkundlich zum ersten Mal erwähnt und 994 mit dem Stadtrecht versehen, war die Stadt vom 10. bis zum 12. Jahrhundert Sitz der zu Ostern besuchten Königspfalz weltlicher Herrscher.
Jetzt noch ein kurzer Stopp im Brauhaus Lüdde, wir lassen uns Pubarschknall & Knuttenforz schmecken, welch ein Labsal nach dem Stadtgang. Nun aber wieder schnell zurück zum Marktplatz. Mittag nehmen wir dann im „Zum Bär(en)“ ein. Abschließend noch ein weit schweifender Blick über den Marktplatz zum Rathaus – es ist eine einzigartige Kulisse.
Die Fahrt zum Hexentanzplatz bei Thale vergeht schnell, wir stärken uns noch kurz mit Kaffee & Kuchen. Am Fuße der Gondelbahn begrüßt uns die Hexe Griseldis – sie bringt uns die Sitten und Gebräuche rund um das Hexenwesen im Allgemeinen und um Walpurgis im Speziellen näher. Es sprudelt nur so aus ihr heraus, gleich so wie die Wassermassen aus dem „Zauberlehrling“. Und das Beste: Alle Worte entströmen in Versform, ganz so wie in Goethes „Faust“, ein Menge Zitate entstammen auch dem Gleichen – einfach unglaublich! Aber auch Hexen-Nachwuchs wird gesucht und in „Michaela“ auch gefunden. Eine herrliche Vorstellung oben auf dem Hexentanzplatz mit Blick auf das Bodetal und hinüber zur Roßtrappe mit dem berühmten Hufabdruck, einem 400m hohem Granitfelsen. Die Sage berichtet von Bodo, dem furchterregenden Riesen, und der bildschöne Königstochter Brunhilde.
Wir sind mehr als begeistert!
Dienstag, 3. Mai – Brocken
Abfahrt von Wernigerode mit der Harzer Schmalspurbahn hinauf zum Brocken, die Dampflok zieht eine ganze Reihe von Wagen, es ist eine Augenweide die historischen Waggons und die Dampflok, so auf Hochglanz geputzt, zu erleben. Einige von uns halten sich die ganze Fahrt über nur auf den Perrons auf – nur um zu schauen oder Fotos zu schießen.
Leider sehen wir wieder die vielen kahlen Hänge, teils liegen oder stehen noch die kahlen Stämme. Aus dem Lautsprecher im Wagen tönt es dazu: „Der Wald lebt, jetzt haben Pflanzen und Tiere, die sonst nie das Licht gesehen haben, die Gelegenheit, sich zu entwickeln“. Soviel Optimismus hat bei uns noch nicht Raum greifen können. Wir hoffen inständig, dass sich die Natur ihren Lebensraum zurück erobern kann.
Das Bähnchen schraubt sich immer höher, langsam nähern wir uns dem Gipfel. Wir haben sehr, sehr viel Glück, wir haben einen Aufenthalt bei schönstem Wetter, angenehmen 10°C und guter Sicht. Wir genießen die Aussicht in alle Richtungen, einige stärken sich mit einer Thüringer Rostbratwurst. Schließlich naht die Rückfahrt, wir fahren bis Drei Annen Hohne, von nun an geht es mit dem Bus zurück nach Duisburg. Eine eindrucksvolle Reise in das Herz Deutschlands zeigt uns unsere reichhaltige Geschichte.
(Text Dr. Ralf Tempel und Fotos: Dr. Michael Greeske, Klaus Hobohm, Dr. Hildegard Jahnke, Conny Klein, Dr. Stefan Koßlowski & Dr. Ralf Tempel)