Wir haben uns für unser Vorhaben wirklich einen schönen Tag ausgesucht, sonnig und nicht zu warm, so dass die Begeisterung an diesem Unternehmen jedem Teilnehmer beim Treffen schon im Gesicht geschrieben steht. Wir sammeln uns vor dem Zoo, gehen gemeinsam zur zugehörigen, nunmehr provisorischen, Straßenbahnhaltestelle und fahren bis zur Station „Rathaus“.
Dieser wird von uns Duisburgern eher selten genutzt. Gleich als erstes weist Frau Dr. Lepper darauf hin, dass alle unsere U-Bahnhöfe nicht nur die eigentlichen Bahnsteige, sondern auch die Zugänge dazu, Kunstwerke darstellen. Davon können wir uns sogleich überzeugen, indem wir den ganzen Bahnsteig durchmessen zu dem ersten Zugang, direkt an der Königstraße, um dann zurück über den Bahnsteig zum Ausgang am Rathaus zu gelangen. Zwischendurch erzählt uns Dr. Lepper, wie es zu dieser – in Deutschland eher unüblichen – künstlerischen Gestaltung kam.
Wir steigen aus und Dr. Lepper erklärt, dass die heutigen Sichtachsen nicht unbedingt mit den alten Straßenverläufen zu tun haben. In den 60er Jahren hatte man die Vision der vernetzten Städte entwickelt, beispielsweise schlug man Schneisen für Autobahnen, um die Ruhrstädte auf kürzestem Wege miteinander zu verbinden. Duisburg diskutierte über eine U-Bahn, schließlich wollte man auch hier ein Weltstadt-Gefühl aufkommen lassen. Den oben gewonnen Platz kann man für eine Promenade nutzen. Eine Planung dafür gab es 1970 immer noch nicht, dafür mussten noch 6…7 Jahre ins Land gehen.
1980 beschloss die Stadt, dass Künstler die Gestaltung der neuen Bahnhöfe übernehmen sollen – in enger Zusammenarbeit mit den beauftragten Architekten. Grundsätzlich sollten sich beide Seiten auf Formen, Farben und Material einigen. Jeder Künstler war dann frei in der künstlerischen Realisierung „seines“ Bahnhofs.
Hier am Rathaus haben sich der Architektur Helmut Kohl und der Künstler Prof. Manfred Vogel verewigt, in weitgehend in den Farben gelb und blau gehaltenen emaillierten Blechen, aufgelockert hin und wieder mit einem roten Tupfer, alles drei Primärfarben. Als Motive erkennt man die Silhouette der Stadt, aber ebenfalls andere, bekannte Kunstwerke, die scheinbar richtiggehend karikierend ausgeführt (wie z.B. zu W. Lehmbruck) sind.
Von hier laufen wir durch den ältesten Teil der Altstadt zum Bahnhof „Steinsche Gasse“. Architektur und Wandgestaltung stammen von Walter Volkmann. Wir erkennen viele kleinformatige, quadratische Keramikkacheln in Weiß, in verschiedenen Grau-, Grün-, Braun- und Blautönen, zusammengestellt wiederum zu größeren Quadraten mit kleinen Diagonalen zum Aufbrechen der strengen Struktur. Nach unten zu werden die Farben dunkler; Grün steht für Vegetation, Hellblau für den Himmel. Schmale, weiße Metallpaneele, an denen farbige Streifen abgesetzt und Langfeldleuchten integriert sind, zieren die Wände. Die Kleinteiligkeit hier stellt die Vielgliedrigkeit des darüber befindlichen Geschäfts- und Wohnviertels dar.
Wir steigen schließlich in die nächste U-Bahn und fahren eine Station weiter bis zum „König-Heinrich-Platz“, sicherlich der künstlerische Höhepunkt der U-Bahnstationen. Architekt Klaus Ulrich Zigan und die Künstler Isa Genzken und Prof. Gerhard Richter gestalteten diese Station, die doppelstöckig ausgeführt wurde. Hier finden wir abstrakt und modern gestaltete, farbige Emaille auf Edelstahlplatten und Spiegelglas, typisch für Richter. Im untersten Stock ebenfalls farbige Emaille und Edelstahl. Hier aber so ausgeführt, dass weitgestreckte ellipsoide und kreisförmige Strukturen hervortreten, sicherlich eher Isa Genzken zuzuordnen. Auch die Zugänge sind besonders: Von Westen kommend empfängt uns ein abstraktes Emaille-Bild von Gerhard Richter, von Osten kommend erkennen wir die geschriebene historische Stadtgeschichte Duisburgs.
Wieder steigen wir in eine Bahn und fahren eine sehr lange Station unter der Ruhr und Teile des Hafens bis „Auf dem Damm“. Architekten waren Kornelia Raberg und Heinrich Jochems, als Künstler fungierte Prof. Eberhard Bosslet. Wir sehen geometrische Strukturen, den Techniker an Kühlkörper erinnernd, in Wahrheit kommunizierende Verbindungen, die ein Kommen und Gehen darstellen (sollen).
Eine Station weiter gelangen wir zum „Meiderich Bahnhof“. Architekt war Jörg Husarek, Künstler war Tomas Riehle. An den Wänden des Bahnsteigs finden wir großformatige S/W-Fotos von 16 Rheinbrücken. Bei der Deckenkonstruktion herrschen Edelstahl und Aluminium vor, die Wände sind ebenfalls mit Edelstahl verkleidet. Der Boden ist in Blau gehalten und soll den Fluss und sein Fließen wiedergeben, Meiderich ist schließlich von mehreren Flüssen umgeben.
Und schon geht’s zurück. Ausklingen lassen wir das Ereignis in der Duisburger Lindenwirtin. Hier bekennen auch einige Mitglieder, dass sie die U-Bahn so noch nicht gesehen hätten. Wir sehen die Kunst als begehbaren Raum – Einzigartig! Und: Es ist schade, dass es Duisburgs Marketing nicht versteht, mit diesem unglaublichen „Pfund“ in aller Öffentlichkeit zu wuchern. Wir genießen sichtlich diesen interessanten Nachmittag.
(Text: Dr. Ralf Tempel, Fotos: Christoph Koßlowski)