Herzlich Willkommen zum spanischen Abend! Der Vorsitzende begrüßt die Anwesenden und stimmt sie auf das Kommende ein: Statt des obligatorischen Sektempfangs erwartet uns heute ein Gläschen Sangria, unser Gastronom hat eine spanische Menüfolge ausgedacht und unser Vortragende wird nicht nur Bilder der spanischen Malschule zeigen sonders sie auch noch mit Hilfe des Akkordeons interpretieren …
Doch zunächst zum ersten Teil: Es wird serviert: Tapas, Tortilla Espanòl, Pimientos de Padron, Chorizo Catalan, Pinchos Morunos, Champignones al Jerez, Cebollas de cereza con pasas, Mojo Verde, Almogrote Picante, … als Hauptgerichte Paella Traditional und Estofado (die werden draußen auf der Terrasse zubereitet) und zum Dessert Manchego und Churros. Fabelhaft wie Herr Hobohm das auf die Beine gestellt hat, wir wähnen uns wirklich in einer Bodega unter der Sonne Spaniens, wir greifen das Gefühl auf und es verlässt uns den ganzen Abend über nicht mehr, welch ein Genuss!
Professor Jacobs ist der ausgewiesene Experte für die spanische Malerei. Natürlich beginnt er mit dem goldenen Zeitalter im 15. / 16. Jahrhundert, in der Blütezeit Spaniens als Weltmacht unter Philipp II. Und selbstverständlich lässt sich der Mächtige porträtieren, in ganz anderer Manier als bisher: Karg und bescheiden, im schwarzen Gewand ohne Zepter, Krone oder sonstige Insignien, sehr wohl aber mit Rosenkranz – legitimiert durch Gott direkt! Ganz so schlicht sind seine Absichten mit El Escorial, dem religiösen und kulturellen Zentrum des Landes – nicht, welch ein prächtiges Symbol seiner politischen Machtfülle.
Das 17. Jahrhundert zählt immer noch zum goldenen Zeitalter, nun jedoch im Barock. Es wird die Mystik von den Malern wieder in den Schoß des Katholizismus zurückgeholt. Die Sevillaner Malerschule zeigt die heilige Familie als normale Spanier von der Straße, ebenso wie die schwarze Seele dieser Weltmacht als jungen Bettler, detailgetreu bis auf das Schwarze unter den Fingernägeln.
Professor Jacobs zeigt uns Hintergründe und zeitlichen Bezug zu jedem Bild. Ohne diese Information verstehen wir die Kunstwerke nicht, jedes Detail hat seine Bedeutung, ist ein Fingerzeig eines Zeitzeichens. Je mehr wir erfahren, umso mehr entdecken wir in den Gemälden. Es ist – ähnlich zum vorangegangenen Essen – eine Explosion der Sinneseindrücke.
Und um das Bild rundzumachen, gibt Professor Jacobs jetzt noch Musik aus der Zeit auf seinem Akkordeon als weitere Dimension des Kunsterlebnisses zum Besten: Er beginnt mit einem von Scarlatti komponierten Fandango zu Goyas „Tanz am Ufer des Manzanares“. Wir durchstreifen mittlerweile das 18. Jahrhundert. Das folgende 19. gebiert die Romantik mit einer Grenzenlosigkeit, die verletzlich wirkt. Ein großer Umbruch erfolgt im 20. Jahrhundert, gleichsam mit dem Verlust der letzten Übersee-Kolonien und Rückfall auf den Status einer nur noch lokalen Macht. Diese Gegenbewegung gibt es auch in der Kunst. So beginnt Picasso ganz konventionell, geht nach Paris, beginnt mit der blauen Periode (durch tiefen Schmerz ausgelöst) und wendet sich später dem Kubismus zu. Miro zeigt mit dem „Bauernhof“ (seiner Eltern) den neuen Impressionismus, der am Anfang kein einträgliches Geschäft darstellt.
Wir sehen jetzt das Bild hinter dem Bild (besser) – eine unglaubliche Fülle an Informationen und neuen Perspektiven, wirklich unfassbar!
Wir sind ganz gebannt. Welch ein phänomenaler Abend!
(Text: Dr. Ralf Tempel, Fotos: Dietmar Rembierz, Dr. Michael Greeske & Dr. Ralf Tempel)