Vortrag von Herrn PD Dr. Jochen Hippler

In den Räumen der SOCIETÄT DUISBURG e.V., 12. Mai 2015

Wieder ein schöner Tag, wir hätten uns auch auf unserer Terrasse versammeln können – nun sind aber die Tische im Innern herrlich eingedeckt. Dazu ist die ganze Dekoration auf das Thema „Morgenland“ abgestimmt – wir werden bereits optisch auf das Thema des Abends herangeführt. Das Menü trägt das Thema weiter, wir werden wieder verwöhnt mit köstlichen Vor-, Haupt- und Nachspeisen, die wir uns genüsslich auf der Zunge zergehen lassen. Dafür herzlichen Dank an Familie Borgards & Team.

Neben den Mitgliedern und Gästen der Societät können wir heute auch Gäste von proDUISBURG begrüßen.

Herr Dr. Hippler ist Politikwissenschaftler und Friedensforscher am Institut für Entwicklung und Frieden (INEF) der Universität Duisburg-Essen, Verfasser dutzender Bücher und Hunderter Artikel zu Themen wie politischer Gewalt, Governance und politischen Identitäten, etwa religiöser oder ethno-nationaler Art im Nahen und Mittleren Osten – also der ausgewiesene Experte!

Der IS (Islamischer Staat) beherrscht die Schlagzeilen – macht sich einen Namen durch grausame Morde auf seinen Siegeszug durch den Irak und Syrien. Wird das so weiter gehen und wie kam es überhaupt dazu? Was ist überhaupt der IS? Und wieso Aufstieg, Fall und Wiederaufstieg?

Der IS hieß nicht immer so, der Name hat sich mehrmals geändert und ist eine seit 2003 aktive dschihadistisch-salafistische Terrororganisation. Gegründet hat sie Abu Musab az-Zarqawi in Jordanien, später ging er nach Afghanistan und war in der Extremistenszene weitgehend isoliert. Es gab Kontakte zu al-Qaida, allerdings konnten sich bin Laden und Zarqawi nicht wirklich ausstehen.

Das änderte sich allerdings mit dem Einmarsch der US Truppen in den Irak im Jahre 2003. Der Irak durch eine säkulare Diktatur von Saddam Hussain zusammengehalten, setzt sich aus vielen verschiedenen Stämmen zusammen, die auch untereinander nicht homogen zu betrachten sind, wie die arabisch schiitischen, arabisch sunnitischen und turkmenischen Stämme, die Jesiden, …
Ihre Blütezeit hatten die Terroristen eigentlich hinter sich. Die Sunniten im Irak fühlten sich zu der Zeit total unterlegen, sie hießen daher jeden willkommen, der zum Mitkämpfen bereit war, egal wie groß der religiöse Unsinn, der damit einherging, war. Plötzlich spielte Zarqawi eine wichtige Rolle, die er ohne Skrupel auslebte.

2005/2006 schloss sich diese Gruppe al-Qaida an – obwohl sich die Anführer nicht ausstehen konnten – allerdings war es dadurch leichter, an Geld bzw. Waffen zu kommen, al-Qaida war halt schon ein Marken-Name! Nun aber empfanden die Sunniten, dass die Dschihadisten schlimmer wüteten als die US Truppen: Es wurde wieder zur Jagd auf al-Qaida geblasen. Der Unterschied bestand darin, dass die Dschihadisten persönlich bekannt waren, so wurden sie nahezu komplett ausgemerzt – keine Eingreiftruppe hätte die sonst eher anonym operierenden Terroristen so erfolgreich bekämpfen können. Al-Qaida war untergegangen – es gab sie im Irak nicht mehr!

Bis 2010 war das Problem mit den Terroristen gelöst. Die Schiiten mit Nuri al-Maliki an der Spitze hatten vorher unbedrängt geherrscht. Es gab eine säkulare Regierung, alle Probleme wurden gelöst, die Dschihadisten waren vertrieben. Erstmals nahmen nun die Sunniten bei Wahlen teil. Sie gewannen sie auch knapp, allerdings wich Maliki nicht von seiner Machtposition. Neun Monate später hat er sich faktisch zur Macht geputscht, unterstützt von den USA und den Europäern, die entnervt ihre Positionen räumten. Die Sunniten fühlten sich verschaukelt, man beschloss den gewaltsamen Widerstand und bat wieder al-Qaida ins Land!

Parallel dazu begann der Bürgerkrieg in Syrien. Die Bevölkerung, die nicht bewaffnet war brauchte Schutz; dieses beförderte das Hineinströmen extremistischer Kämpfer. Die Bevölkerungseinheit zerbrach, was zunächst als Kampf gegen die Regierung begann, endete schon bald als Kampf jeder gegen jeden. Es war eine echte Treibhaussituation und lies al-Qaida vom Irak in Syrien einströmen. Diese Terroristen begriffen sich als Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS). Sie verübten Gräueltaten gegen jedermann, unabhängig welcher Stammeszugehörigkeit, sie wandten sich auch gegen die, die sie gerufen und wieder groß gemacht hatten.

Der Höhepunkt der ISIS wurde im letzten Frühsommer erreicht, mit 5.000 Mann setzte man sich gegen ca. 60.000 irakische Soldaten durch, diese haben einfach nicht gekämpft! Für Maliki wollten sie nicht kämpfen, so fiel die modernste Bewaffnung der ISIS zu und innerhalb von sechs Wochen hatte man ein riesiges Gebiet – beinahe widerstandslos – eingenommen. Sie stießen in ein Vakuum vor. Nebenbei konnte man sich an dem Bankenkapital, den Öl-Einnahmen und Erlösen aus Steuererhebungen und den Verkauf von antiken Gegenständen hemmungslos bedienen.

Mittlerweile hatte man sich auch wieder mit al-Qaida überworfen, da man jetzt den IS (Islamischer Staat), das „Projekt Kalifat“, und damit faktisch den Alleinvertretungsanspruch für alle Muslime ausrief.

Anschließend steht Herr Dr. Hippler unseren vielen Fragen Rede und Antwort.
Unsere schon hohen Erwartungen an diesem Abend werden bei weitem übertroffen. Wir sind immer noch wie gebannt. Das Hochgefühl hält noch bei den weiteren Tischgesprächen an.
Dieser Abend wird uns lange in Erinnerung bleiben.

(Text und Fotos: Dr. Ralf Tempel)