Doorn, 30. August 2014
Haus Doorn ist ein geschichtsträchtiger Ort. Es ist des Kaisers letzter Ruhesitz. Heute werden wir uns dorthin begeben – Gründe dafür gibt es einige: Der Ausbruch des 1. Weltkrieges jährt sich zum 100sten Male und die meisten von uns waren schon einmal hier, allerdings liegt das viele Jahre zurück.
Unsere heutige Reise gliedert sich in drei Teile: Besichtigung des Huis Doorn und „Kaiserlicher High Tea“ in der Brasserie Rodestein gleich gegenüber; wieder zurück in der Societät werden wir noch eine Kaiserliche Kartoffelsuppe kredenzt bekommen.
Wir fahren mit dem Duisburger Reisedienst Weltenbummler ab Societät, die Stimmung ist gut und wird noch weiter gehoben durch einen „Berliner“ für jeden, womit uns Frau Tempel auf den Berliner Wilhelm II., mit vollem Namen Friedrich Wilhelm Viktor Albert von Preußen, einstimmen möchte. Auf der Fahrt nach Doorn verfinstert sich der Himmel immer mehr, es beginnt heftig zu regnen. Sobald wir ankommen hört der Regen – vereinbarungsgemäß könnte man sagen – auf und wir kommen ohne geöffnete Schirme zum Huis Doorn.
Wir haben noch etwas Zeit bis zur Führung, einige nutzen diese in der Orangerie zu einem „Kopje Koffie“, andere umrunden das Anwesen auf mehr oder weniger befestigten Wegen und erkunden das Mausoleum und den Rosengarten.
Wir werden nun in zwei Gruppen geteilt und sehr kundig durch das Huis geleitet. Es erscheint nicht sehr groß, die Räumlichkeiten innen verstärken noch diesen Eindruck. Die Ausstattung ist gediegen und auf der Höhe der Zeit – Pracht sieht allerdings sicherlich anders aus.
Haus Doorn ist ein komplettes Schloss mit Hofstaat im kleinen, mit getrennten Flügeln für den Kaiser und seine Gemahlin, mit Speisesaal, Audienzzimmer, Büro des Adjutanten und großer Küche, mit Schlosspark und Mausoleum. Der Zustand des Hauses entspricht weitestgehend jenem, den es beim Tod Wilhelms 1941 hatte. Man erfährt, wie der frühere Kaiser und seine erste und zweite Frau dort lebten, wie sie, umgeben von Erinnerungen, Hof hielten und die Restauration der Monarchie erwarteten.
In den Geschichtsbüchern wird das Leben von Wilhelm II., der laut Verfassung oberster Kriegsherr war, nach dem Ende des Ersten Weltkrieges, der furchtbare Folgen hatte (17 Millionen Tote), meistens nicht erwähnt. Viele wissen deshalb gar nicht, dass er mehr als ein Viertel seines Lebens (die restlichen 21 Jahre) in Doorn verbracht hat. Ganz freiwillig war das nicht.
Als Reichskanzler Max von Baden am 9. November 1918 eigenmächtig die Abdankung des Kaisers verkündete, befand sich Wilhelm II. im belgischen Spa im Hotel Britannique, dem Sitz des Großen Hauptquartiers. Wilhelm nahm seine Absetzung hin und ging am 10. November über die Grenze in die neutralen Niederlande. Zunächst wohnte er als Gast des Grafen Godard Bentinck auf Schloss Amerongen, von wo aus er am 28. November abdankte. Im Jahr 1919 erwarb Wilhelm im benachbarten Doorn das Schlösschen von der Baronesse Heemstra de Beaufort und ließ es bis 1920 für sich und seine Familie herrichten.
Wilhelm konnte den wichtigsten persönlichen Familienbesitz nach Doorn kommen lassen; insgesamt 59 Güterwaggons mit Möbeln, Kunstwerken und Erinnerungen sollen es gewesen sein. In nur einem guten Dutzend Räumen befinden sich bis heute Kunstwerke vor allem aus dem 18. Jahrhundert, zum Teil bis ins 19. Jahrhundert hineinreichend.
Am Haus Doorn ließ Wilhelm ein neo-mittelalterliches Torgebäude hinzufügen und einen Rosengarten anlegen. Das Haus ist umgeben vom 35 Hektar großen Schlosspark, der in den benachbarten Forst übergeht. Die umfangreichen Gartenanlagen waren für das Kaiserpaar der ausschlaggebende Grund für den Kauf von Doorn. Wilhelms liebster sportlicher Zeitvertreib in Doorn war das Holzsägen und -hacken. Das Holz wurde zur Weihnachtszeit an die ärmere Bevölkerung von Doorn verteilt.
Wilhelm starb am 4. Juni 1941 in Doorn und, da Wilhelm weder in ausländischer Erde begraben noch jemals in ein republikanisches Deutschland zurückkehren wollte, wurde er in einem Mausoleum im Park beigesetzt.
Diese Führung ist nur so gespickt mit Informationen – vieles ist neu und lässt uns den abgedankten Kaiser und seine Umgebung in einem neuen Licht erscheinen.
Wir sehnen uns nach einer Stärkung; wir laufen durch den Park zurück zum Parkeingang und gelangen zur Brasserie Rodestein, wo schon Wilhelm II seinen „High Tea“ zu sich nahm. Wir sind angenehm überrascht von der Größe der Sandwiches, dazu können wir unter vielen verschiedenen Teesorten wählen. Kleine Leckereien im Anschluss lassen uns noch geraume Zeit verweilen. Das Gesehene wird diskutiert, die Erfahrung der zwei Führungen ausgetauscht. Wir sind noch sehr gefangen von dem gerade erlebten.
Aber dann heißt es doch Abschied nehmen, wir steigen in den Bus und fahren zurück zur Societät, wo uns Frau Borgards noch eine „Kaiserliche Kartoffelsuppe“ – einschließlich der Entstehungsgeschichte dazu – auftischt; der Kaiser soll einmal ausgeritten und unterwegs bei einem Bauern eingekehrt sein. Da die Bäuerin überrascht wurde, konnte sie nur schnell eine Suppe herrichteten, aus Dingen die gerade zur Hand waren: Kartoffeln, Suppengrün, Markbällchen … Dem Kaiser soll es geschmeckt haben und uns ergeht es ebenso.
Dabei lassen wir einen wunderschönen Tag ausklingen.
(Dr. Ralf Tempel)