5.-10. Mai 2018

Wieder einmal eine Reise Richtung Osten, wir sind schon äußerst gespannt. Die Beweggründe, bei dieser Reise dabei zu sein, sind sehr unterschiedlich. Um es vorweg zu nehmen, alle sind hinterher einhellig der Meinung, diese Reise hat sich sehr gelohnt – nie hätten wir gedacht, wie viel Unbekanntes wir erleben durften, wie schön sich gerade die Großstädte Breslau und Krakau entwickelt haben, wie behutsam wiederaufgebaut, saniert und neue Akzente gesetzt wurden und wir trafen durchweg auf freundliche Menschen, die sich ihrer Geschichte, sei es in Schlesien oder Galizien bewusst sind – schlicht lebenswerte Metropolen!

Samstag, 5. Mai 2018

Frühes Aufstehen ist angesagt, unsere Reise startet pünktlich um 06:00 Uhr. Die Anreise nach Breslau verläuft weitgehend störungsfrei, wir fahren durch sehr abwechslungsreiche, frisch erblühte Landschaften, nur von einer kurzen Pause unterbrochen. Kurz nach der polnischen Grenze nehmen wir unseren polnischen Reiseleiter, Herrn Roman Rudy, an Bord und kurz vor Breslau ereilt es uns doch: Totalsperrung der Autobahn. Wir verspäten uns etwas, dafür geht das Check-in im Hotel Monopol in Breslau, der Perle Niederschlesiens, rasend schnell. Es ist ein Luxushotel, die Unterkünfte sind sehr großzügig geschnitten und ein großer Obstkorb (wie auch noch in den Hotels in Krakau und Bautzen) erwartet uns. Kaum ausgepackt, machen wir uns zu Fuß auf den Weg zum Abendessen ins Restaurant „Magdallena“ im Bezirk der „Vier Religionen“. Hier erleben wir eine ausgezeichnete, lokale Küche. Auf dem Rückweg kommen wir gleich nebenan an der restaurierten Synagoge „Zum Weißen Storch“ vorbei, nicht ohne einen, kleinen Zwischenhalt einzulegen.

Sonntag, 6. Mai 2018

Gleich nach dem Aufstehen verschaffen wir uns hoch oben von der Hotel-Terrasse einen Überblick, wo wir uns befinden: In der Breslauer Innenstadt mit Blick auf den 50-geschossigen Sky Tower und die Philharmonie, letztere werden wir am Abend noch aufsuchen.

Direkt vorm Hotel startet der Stadtrundgang. In der Verlängerung des Hotels steht das frühere Kaufhaus Rudolf Petersdorff, zusammen gehören sie zu den Stilikonen der Breslauer Architektur. Gleich gegenüber steht die Oper.

Berühmte Leute gehörten in der Vergangenheit zu den Gästen des Hotels, aber auch in unmittelbarer Nachbarschaft kann man Spuren von ihnen finden. So wohnte gleich nebenan der Quantenphysiker Max Born (einer von neun Breslauer Nobelpreisträgern). Der nächste Blick fällt auf die Philharmonie, die in einen großzügig gestalteten, offenen Platz eingebettet wurde. Weiter geht’s vorbei am Medaillen Museum hinüber zum Marktplatz, einem der schönsten Plätze Europas. Der mittelalterliche Platz wird auch „Großer Ring“ oder einfach nur „Der Ring“ genannt. Hier gibt es farbenprächtige Gebäude, im Stile des 16. Jahrhunderts restauriert. Die prächtigen Bürgerhäuser sind nicht im 2. Weltkrieg zerstört worden. So finden wir hier das Bürgerhaus „Unter Greifen“, das größte am Ring und das Haus „Zu Sieben Kurfürsten“, welches mit fantastischen Malereien verziert ist.

Im Zentrum steht das prachtvolle Rathaus mit der eindrucksvollen Fassade in einer interessanten Mischung aus Gotik und Renaissance. An der linken Seite steht die Elisabethkirche, vollständig aus Backsteinen erbaut. Herausstechend ist der Erker an der Breitseite des Hauses, der unten noch den Eingang zur ältesten Brauerei und Ausschank des Landes beherbergte. Auf der Schmalseite rechts davon finden wir die beeindruckende astronomische Uhr und davor (rekonstruiert) den mittelalterlichen Pranger.

Auch hier treffen wir Immer wieder auf kleine Gnome. Sie stammen von Graffiti aus kommunistischer Zeit und fanden dann Verwendung bei Aktionen der „Orange Alternative“, die das bestehende System friedlich lächerlich machte. Nach dem Fall der Mauer waren die Zwerge bis August 2005 in Vergessenheit geraten, als der Breslauer Bildhauer Tomasz Moczek die ersten fünf Zwerge aufstellte, monatlich kommen neue hinzu. Sie zu einem festen Bestandteil des städtischen Raums und zu einem sozialen Phänomen geworden.

Ab dem 13. Jahrhundert waren die deutschen Siedler die stärkste Bevölkerungsgruppe in der Region. Sie halfen, die Stadt nach dem Durchmarsch der Hunnen wiederaufzubauen und in ein blühendes Handelszentrum zu verwandeln. In den nachfolgenden Jahrhunderten wuchs Breslau weiter, abwechselnd unter Böhmischer und Habsburger Herrschaft. Schließlich eroberte der Preuße Friedrich II 1741 Schlesien mit der Folge, dass Breslau die nächsten 200 Jahre zunehmend deutscher wurde. Nach dem 2. Weltkrieg wurden Polen aus den Gebieten um Lemberg herum in die menschenleere Stadt umgesiedelt. Sie mussten ihre Heimat verlassen, da dieses Gebiet der Sowjetunion zugesprochen wurde. Diese Polen bildeten nur rund 10% der neuen Einwohnerschaft, allerdings saßen sie an den wichtigen Stellen in Stadt und Wirtschaft, so dass Neuankömmlinge den Eindruck bekamen, dass fast alle hier aus Lemberg stammten.

Nach Breslau kamen aber all die Jahrhunderte vorher schon Gelehrte, Architekten, Künstler, um hier zu arbeiten. Überhaupt kann man den Eindruck gewinnen, dass Europa schon im frühen Mittelalter hier gelebt wurde.

Auf dem Weg zur Elisabethenkirche haben wir den schönsten Zugang durch einen Torweg mit zwei verbundene kleine, altruistische Barockhäuser, die im Volksmund als „Hänsel und Gretel“ bezeichnet werden. Dahinter kommen wir noch an den alten Fleischbänken, den festen Verkaufsständen der Fleischerzunft, vorbei.  Tierskulpturen verdeutlichen das eindrücklich.

Aber jetzt kommen wir zum Höhepunkt, der Aula Leopoldina, einen der größten Barocksäle Europas. Er wird heute für Konzerte und offizielle, jährlich stattfindende Zeremonien, z. B. für Immatrikulationen, genutzt. Gleich neben (und ein Stock tiefer) finden wir den Konzertsaal Oratorium Marianum nach langwierigen Restaurierungsarbeiten wieder zugänglich. Dessen Deckengewölbe erstrahlen in frischen, alten Farben.

Wir setzen uns kurz in den Bus – als Zwischenerholung – und fahren zur Jahrhunderthalle. Sie ist vor über 100 Jahren aus Stahlbeton errichtet worden und weist die weltweit größte, freitragende Kuppel auf. Zusammen mit der vor dem Haupteingang der Halle aufgestellten Iglica, einer ca. 100 m hohen Nadel, zählt sie zu den Wahrzeichen der Stadt. Nach der Besichtigung treffen wir uns auf ein Glas Sekt auf der Dachterrasse der Jahrhunderthalle mit Panoramablick auf die Wasserspiele. Das tut richtig gut!

Aber gleich darauf fahren wir in kurzer Fahrt hinüber zur Dom Insel. Wir halten direkt vor der katholischen Kirche, gegenüber St. Maria auf dem Sande, gehen an St. Peter und Paul und der Doppelkirche zum Hl. Kreuz mit dem Denkmal des heiligen Johannes von Nepomuk vorbei in Richtung Breslauer Dom – der gotischen Kathedrale Johannes des Täufers. Sie überragt alles und ist die wichtigste Kirche ganz Schlesiens.

Die Zeit ist weit fortgeschritten und wir eilen zum frühen Abendessen ins Restaurant „Jadka“. Hier empfängt uns eine gastliche Atmosphäre, wir kommen ganz zur Ruhe und erholen uns von dem interessanten Programm. Wir entspannen hier so sehr, dass wir den nächsten Programmpunkt fast aus dem Auge verlieren: Besuch der Philharmonie. Auf uns wartet der heitere Paganini. Im großen Saal erleben wir das Westside Symphonieorchester – einfach großartig!

Nach dem Konzert streben wir dem Monopol zu, nur ein paar Schritte entfernt. Den Abend lassen wir auf der Dachterrasse ausklingen.

Montag, 7. Mai 2018

Heute fahren wir nach Krakau. Dabei werden wir einen Zwischenhalt in Tschenstochau einlegen, mit Führung im Kloster „Heller Berg“ (Jasna Góra), einen der bedeutendsten Wallfahrtsorte der römisch-katholischen Kirche und dem wichtigsten in Polen. Die Paulinermönchen haben es auf dem Hügel gegründet und betreuen es bis heute. Im Zentrum des Interesses steht die „Schwarze Madonna“, das wertvollste Nationalheiligtum und die Königin Polens. Die Kirche ist schwer befestigt und über die Zeiten immer weiter ausgebaut worden – es ist ein heterogener, großer Komplex.

Wir werden von der Mutter Oberin empfangen. Sie ist eine sehr resolute und dabei liebevoll agierende Führerin für die nächsten Stunden. Wir haben Glück und streben sogleich der Basilika Mariä Himmelfahrt zu, es ist die Zeit, an der das Heiligtum enthüllt wird. Wir lassen uns durch die Menge der Gläubigen schieben. Direkt vor der Ikone steht eine Gruppe Kinder, die gerade ihre Kommunion feiern.

Auf dem Weg nach draußen gelangen wir durch die Kapelle des Herzens des Herrn Jesus, die nicht weniger großzügig ausgestattet ist. Über den Innenhof gehen wir auf die äußeren Festungsanlagen und dann direkt in die Schatzkammer.

Beeindruckt steigen wir wieder in den Bus und fahren nach Krakau. Kurzes einquartieren im „Grand Ascot“ inmitten der Stadt, dann machen wir uns schon auf den Weg zum Abendessen ins Restaurant „Szara Gęś“, vorbei an den Tuchhallen, dem Handelszentrum aus der Renaissance, im Hintergrund die Türme der Marienkirche und dicht entlang des freistehenden Rathausturms. Schon treten wir ein in große Hallen. Für uns ist ein Extraraum reserviert, wir sind für uns. Essen, Trinken und Service sind 1a. Wir lehnen uns zurück und lassen die vielen Eindrücke einwirken. Wir verweilen noch lange, ehe wir den 5-minütigen Rückweg ins Hotel antreten. Dort nehmen einige noch einen weiteren guten Tropfen in der Hotelbar.

Dienstag, 8. Mai 2018

Heute steht wieder ein schön anstrengender Tag bevor: Die Stadtbesichtigung lockt – mit einer lokalen Stadtführerin.

Die alte Königsstadt ist über 1.000 Jahre alt, das kann man allerorten noch erahnen. Krakau wurde nie durch Kriege zerstört, und so kann man rund um den Ring, dem Marktplatz, zahlreiche Bauwerke der Gotik, der Renaissance, des Barock und späterer Epochen der Kunstgeschichte bewundern. Hier ist ihr Antlitz in verschwenderische Schönheit mit Restaurants, Cafés und Jazzkneipen erhalten bzw. wieder restauriert worden. Und Krakau wird immer noch als heimliche Hauptstadt Polens bezeichnet.

Wir starten im Jüdischen Viertel Kazimierz. Hier findet man eine Kneipendichte, die es so in ganz Polen nicht gibt. Am Abend werden wir uns davon überzeugen.

Ausgangspunkt ist die Breite Straße. Ein ungewöhnlicher Ort, wo das Herz des jüdischen Kazimierz schlägt. Gleich am Anfang haben wir einen Blick auf die Remuh Synagoge mit dem alten Friedhof, gewidmet dem Rabbi Moses Isserle alias Remuh, der hier predigte und auf dem nebenan liegenden Friedhof beigesetzt wurde. Wir ziehen durch die alten Straßen, vorbei an der Isaak Synagoge gleich gegenüber einem Café, wo jeder Straßentisch eine alte Nähmaschine aufweist, zum nächsten Ziel, dem „Neuen Platz“ mit dem 1900 fertiggestellte Rundbau, dem ehemaligen, jüdischen Schlachthaus „Okrąglak“, wo man noch heute kleine Baguettes kaufen kann. Der besteht aus der inneren Halle und einem zwölfeckigen Ring. 1927 zog in einen Teil der Rotunde ein koscheres Geflügelschlachthaus ein.

Weiter geht’s durch malerische Gassen, die für den Hollywood-Film „Schindler’s Liste“ als Kulisse genutzt wurden. Auch eine Holzsynagoge suchen wir auf, wobei der Hauseingang einen Meter tiefer liegt.

Zum Schluss dann doch eine kleine Rast an einem der vielen Cafés in der Breiten Straße in unmittelbarer Nähe zur alten Synagoge.

Nun geht’s hinüber zur ehemaligen Residenz auf dem Wawelhügel mit Schloss und Kathedrale, wo die meisten der Könige Polens sowie zahlreiche Persönlichkeiten von herausragender historischer Bedeutung begraben sind. Das heterogene Erscheinungsbild entstand erst nach dem Mittelalter, als der Kathedrale mehrere Kapellen hinzugefügt wurden.

Nun sind wir doch der Meinung, dass wir uns eine ausgedehnte Mittagspause verdient haben. Da taucht am „Ring“ das königliche Restaurant „Wierzynek“ auf. Nach endlosen Treppenläufen gelangen wir in einen kleinen Konzertsaal und erleben ein wunderbares, exklusives Chopin-Konzert. Was für eine Überraschung! Nach dem geistigen Genuss erlangen wir auch noch einen kulinarischen, es gibt einen wirklich guten Kaffee und leckeren Kuchen – Entspannung pur und die Lebensgeister erwachen wieder. Von hier oben haben wir einen hervorragenden Blick auf den Hauptmarkt samt Marienkirche.

Sie überragt den Marktplatz; von ihrem Turm ertönt zu jeder vollen Stunde eine Melodie. Ein Feuerwehrmann erinnert an den tapferen Turmbläser, der 1241 die Bürger der Stadt vor den herannahenden Mongolen warnen wollte. Noch während er blies traf ihn ein tödlicher Pfeil. Das plötzliche Abrechen der Melodie symbolisiert den tödlichen Treffer. Das schauen wir uns natürlich von außen und innen an.

Nun „untersuchen“ wir auch noch die alten Tuchhallen, einige Einkäufe werden getätigt. In unmittelbarer Nähe liegt die Universität, die zweitälteste Europas; sie wurde 1364 gegründet. Nur die Prager Universität ist älter.  Der berühmteste Student der Krakauer Universität war von 1491 bis 1495 Kopernikus.

Nun aber schnell die paar Meter zurück zum Hotel und sich erfrischen für den nun kommenden Abend. Es geht zurück  zum Jüdischen Viertel Kazimierz. Wir erleben ein Abendessen mit einem Streifzug durch die jüdische Küche und Klezmermusik im Restaurant „Klezmer Hois“. „Bei mir bist du scheen“ werden wir in Erinnerung behalten. Ein wirklich phantastischer Abend, den wir an der Hotelbar ausklingen lassen.

Mittwoch, 9. Mai 2018

Früh fahren wir von Krakau ab, in der Höhe von Breslau verlässt uns Roman, der uns Schlesien und Krakau so nahe gebracht hat. Wir fahren weiter nach Bautzen. Wir checken im Best Western ein um kurz darauf für den nächsten Höhepunkt präpariert zu sein.

Wir haben einen Besichtigungstermin bei  der Firma „Eule Orgelbau“.  Herr Eule hat vor acht Jahren, als die Orgel in der Mercatorhalle intoniert wurde, dazu eingeladen; nun sind wir da. Voller Herzblut schildert er uns den Weg, von der Holz-, Kupfer- und Zinn- Beschaffung bis zum Zusammenbau der Orgel, den langen Weg von der Planung bis zur Realisierung. Und er zeigt uns die Fertigungsschritte in seiner Werkstatt. Wieder einmal auf dieser Reise sind wir stark beeindruckt von den Ideen und Schaffenskraft der Menschen.

Anschließend unternehmen wir einen geführten Stadtgang, beginnend mit dem Blick auf die „Alte Wasserkunst“. Wir nehmen in Augenschein den Reichenturm, am Beginn der Reichenstraße, das Rathaus, den Dom St. Petri – eine Simultankirche – , die Ortenburg, den Schülerturm und zurück über Rathaus und Reichenturm zum Hotel. Hier haben wir ein sorbisch-sächsisches Abendessen.

Donnerstag, 10. Mai 2018

Nach dem Frühstück treten wir die Heimreise an. Es ist eine sehr kurzweilige Fahrt, ausführlich lassen wir das Erlebte Revue passieren. Es war alles sehr beeindruckend und manch ein Vorurteil konnte über Bord geworfen werden. Fazit: Europa gibt es schon sehr lange und wir leben mittendrin.

(Text: Dr. Ralf Tempel, Fotos: Dr. Michael Greeske & Dr. Ralf Tempel)