Nordböhmen 10. – 13.10.2015

Unsere langersehnte Reise zur Kulturhauptstadt 2015 Pilsen (der anderen neben Mons), zum letzten Aufenthaltsort von Giacomo Casanova und zum Schloss der drei Kaiser steht an.

Samstag, den 10. Oktober 2015

Sehr früh treffen wir uns vor der Societät – alle sind gespannt und guter Laune – es ist noch dunkel als der Bus kommt und wir pünktlich losfahren können. Es dauert aber nicht lang bis die Sonne aufgeht, wir fahren in einen herrlichen Herbsttag hinein. Unterwegs gibt es einen Stopp und da dieser in Thüringen liegt, probieren wir eine entsprechende leckere Rostbratwurst. So gestärkt kommen wir unserem ersten Ziel, Marienbad, langsam näher, aber nicht ohne kurz vorher Franzensbad etwas genauer anzuschauen.

Pünktlich kommen wir danach in Marienbad an; wir werden sogleich in Empfang genommen. Unsere Führerin Theresia zeigt uns die Kleinstadt, deren Bedeutung erst im 19. Jh. heranwuchs und am Anfang des 20. Jh. zur vollen Blüte kam. Die Besonderheit besteht darin, dass die Stadt um den Park herum gebaut wurde. Damit liegen die wichtigsten Quellen, überdacht durch Kolonnaden, mitten in der Stadt im Park, von jedem einfach zu erreichen.

In Marienbad sprudeln mehr als 40 verschiedene Mineralquellen, die dank ihrer chemischen Zusammensetzungen für verschiedene Heilkuren verwendet werden.

Ein „Highlight“ ist die Singende Fontäne – eine Chorografie verschiedener Fontänen, unterlegt mit Musikstücken aus den Werken W. A. Mozart, B. Smetana, A. Dvořák, F. Chopin, J.S. Bach, sie lässt alle zwei Stunden die Passanten für einige Minuten innhalten.

Einer der vielen, berühmten Gäste war König Edward VII (1841-1910) von England. Er bevorzugte die Rudolfquelle, gespeist durch Glauber-Mineralwasser. Ein eigenes Badehaus wurde errichtet und die Geschichte erzählt, dass er zum Zwecke der Reduzierung der Leibesfülle in einen hölzernen Bottich gesperrt wurde, aus dem er nicht eher befreit wurde bis die eigens eingebaute Waage einen Erfolg der Trinkkur nachweisen konnte.

Auch Chopin und Goethe ließen sich hier gern sehen, letzterer hat sich – 72-jährig – in das 17-jährige Fräulein Ulrika von Levetzow verliebt. Obwohl sie ihm sehr zugetan war, hat er auf seinem Heiratsantrag nur eine unklare Antwort bekommen, er sollte sich darüber allerdings nur wenig gewundert haben, da der Legende nach, er schon ihrer Mutter und Großmutter den Hof gemacht haben soll.

Im „City Caffee“, bei einem Stück Kuchen und einem Kännchen Kaffee, genießen wir den schönen Nachmittag. Langsam kommt die Dämmerung und wir haben noch ein gutes Stück Weg vor uns.

Spät kommen wir dann in unserer Herberge für die nächsten Tage, im Schlosshotel Zbiroh, an. Es ist stockfinster, kein Licht weist uns den Weg. Aber als alte Pfadfinder finden wir was wir suchen. Oben dann auf dem Berg erwartet uns ein kolossales Schloss – schnell sind die Zimmer bezogen und uns zieht es in die Schloss-Taverne. Hier werden wir bereits erwartet; es gibt ein umfängliches Menü mit einem kräftigen Happen vom Rind und einheimisches Bier (Pilsner), dazu auch den einen oder anderen Becherovka.

Voll der verschiedensten Eindrücke fallen wir in unsere Betten.

Sonntag, den 11. Oktober 2015

Als erstes gibt es heute die Schlossführung. Das „Schloss der drei Kaiser“ – deren frühere Besitzer hießen Rudolf II., Karl IV. und Siegmund von Luxemburg. Einst war es eine frühgotische Burg, heute erstrahlt das Schloss im Stil der Neorenaissance.

Um das Ende des 12. Jh. wurde die romanisch-gotische Burg Zbiroh als ältester tschechischer Adelssitz das erste Mal geschichtlich erwähnt. Es beherbergt den tiefsten Brunnen Europas und damals auch den Templerorden. Seine heutige Gestalt als großes Renaissance-Schloss nahm das Schloss Zbiroh am Ende des 16. Jahrhundert mit Rudolf II., Kaiser des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation, an.
Es ist bis heute ein Magnet für viele prominente Persönlichkeiten. Einer von ihnen ist zweifellos der berühmteste Maler Böhmens, Alfons Mucha. Fast 20 Jahre lebte er im Schloss (zwei Räume sind ihm gewidmet) und hier war er auch als Großmeister der Freimaurer aktiv.

Leider erfahren wir nichts, trotz intensiven Fragens, über die jüngere Vergangenheit. So hören wir nichts darüber, dass sich in den letzten beiden Kriegsjahren ein SS-Stab hier eingerichtet hatte, um Feindsender abzuhören. Dabei wird auch von geheimen Gängen und ein Geheimversteck, von einem Flugzeug, dass viele Kisten brachte und das die SS-Leute Hals über Kopf ohne ihre Habe fliehen mussten, wo ist der Inhalt der Kisten, ging es dabei gar um das berühmte Bernsteinzimmer?
Ebenfalls erfahren wir nichts zur Übernahme des Schlosses durch die Kommunisten, der Ort verschwand für 50 Jahre von der Landkarte. Die umliegende Bevölkerung dachte, es sei ein Militärhospital, in Wirklichkeit war hier der Nachrichtendienst des Warschauer Paktes untergebracht, um den Nato Funkverkehr auszuspionieren.

Am späten Vormittag machen wir uns dann auf nach Schloss Dux. Wir fahren durch die schöne nordböhmische Landschaft, nichts erinnert mehr an die krankenden Wälder von vor 30 Jahren, als die Abgase der alten Braunkohlekraftwerke den sauren Regen brachten.

Sehenswert am Böhmischen Mittelgebirge sind besonders die markanten Kegelformen der Berge im südwestlichen Teil des Gebirges, gebildet durch große Mengen basaltischen Magmas infolge Vulkanismus, die sich aus einer fast ebenen, baumlosen Landschaft des Eger-Grabens erheben.

Gegen Mittag kommen wir in Dux an. Wir halten an der Sankt Barbara Kapelle. Neben dem Eingang hängt hier die Grabplatte von Giacomo Casanova, das eigentliche Grab ist nicht mehr auffindbar. Aber unsere Damen lassen es sich nicht nehmen, einmal die Hand auf die Platte zu legen. Dabei war Giacomo nicht nur Frauenversteher, sondern auch ein Finanzgenie, der z.B. zur Sanierung der Staatskasse in Frankreich die Lotterie einführte. Aber auch viele andere Geldgeschäfte wurden von ihm eingefädelt und als Ergebnis dessen er sehr oft seinen momentanen Aufenthaltsort wechseln musste.
Man(n) kann sich mit Sicherheit darüber streiten, aber als Schönling hat er auch zu seiner Zeit nicht gegolten, dafür war er aber unerhört beeindruckend und dazu ebenso groß – um die 1,90m – so dass er alle in seiner Umgebung um mindestens eine Haupteslänge überragte. Er hatte aber so seine faszinierende Art, sich Frauen zuzuwenden.
1784 traf Casanova in Wien den Grafen Joseph Karl von Waldstein, der ihm 1785 das Angebot machte, als Bibliothekar auf Schloss Dux zu arbeiten. Casanova verbrachte dort die letzten 13 Jahre seines Lebens, die von Eintönigkeit und ständigem Streit mit den anderen Schlossbewohnern geprägt waren, während derer er aber auch seine umfangreichen Memoiren schrieb. Zwei Räume sind heute noch Casanova gewidmet.

Dem Schlossherren kam es aber vor allem darauf an, einen geistreichen und charmanten Unterhalter für seine zahlreichen Gäste an seiner Seite zu haben. Beide liebten das ungezwungene Leben. Zu den Persönlichkeiten, die in enger Beziehung zum Schloss standen, zählen Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Frédéric Chopin und Ludwig van Beethoven, der hier konzertierte und dem Grafen Ferdinand Ernst von Waldstein das als „Waldstein-Sonate“ bekannte Klavierwerk widmete.

Zurück im Zbiroh, schütteln wir unsere Beine aus und umrunden die Burg. Danach führen uns unsere Füße direkt wieder in die Schloss-Taverne. Wir sind schon neugierig, auf das heutige Menü. Dieses fiel deutlich kärglicher aus als gedacht, dafür versuchte uns der „singende“ Kellner in Stimmung zu bringen, was einigen Mitreisenden sichtlich gefiel. Leider gab es auch einige Misstöne an diesem Abend, vor allem verursacht durch das Personal, das versuchte Leistungen bei einigen von uns doppelt abzurechnen, aber auch die Qualität des Weines schien über Nacht merklich gelitten zuhaben, ohne dass es sich auf dem Preis ausgewirkt hätte.

Montag, den 12. Oktober 2015

Heute fahren wir nach Pilsen. Die Strecke dahin ist relativ kurz und wir finden schnell die Brauerei, die einen modernen Eindruck auf uns macht.

Wir sehen noch ein Brauereimodell vom Ende des 19. Jahrhunderts, ein Sudhaus aus den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts und können die historischen Keller am Schluss der Führung bewundern, wo bis heute im traditionellen Verfahren, wie zu Zeiten des ersten Braumeisters, Pilsner Urquell gebraut wird. Aber die gesamte Produktionsanlage – das moderne Sudhaus und die Abfüllanlage wurden vor ca. 10 Jahren neu errichtet. Dass Bier aus so wenigen Zutaten besteht (die wir natürlich alle – bis auf das Wasser – auch probiert haben), verblüfft uns immer wieder. Mälzerei, die sogenannte Malzdarre (Trocknung), den Schwelkraum (Vortrocknen des Grünmalzes), das Labor und die Keller. Aber mindestens ebenso beeindruckend sind die riesigen Sudkessel, die wir wie selbstverständlich umrunden können. Höhepunkt ist die Verkostung des ungefilterten Pilsner Urquell in den historischen Kellern der Brauerei.
Anschließend halten wir Mittagstisch im eigenen Restaurant, natürlich bei Braten, Knödeln und einem Gläschen Pilsner.

Nun raffen wir uns aber doch noch auf, die Stadtbesichtigung steht an. Pilsen war jahrzehntelang eine graue Industriestadt. Bekannt ist den meisten das Pilsner Urquell, Skoda (was weit mehr als nur PKW ausmacht) und vielleicht noch der Puppenspielers Josef Skupa mit seinen Puppen Spejbl und Hurvínek.

Mittlerweile ist die Altstadt restauriert und steht unter Denkmalschutz. Es dominieren Jugendstilbauten. Das höchste Bauwerk der Stadt ist die St. Bartholomäus-Kathedrale, welche kurz nach der Stadtgründung erstmals belegt ist, ein mächtiges gotisches, dreischiffiges Bauwerk mit der spätgotischen Sternberg-Kapelle und dem viereckigen Turm. Das Rathaus stammt aus dem 16. Jh. und ist im Renaissancestil erbaut. Zwischen Rathaus und Kathedrale befindet sich die im Jahre 1691 errichtete Pestsäule. Nur zwei Straßen entfernt steht die Große Synagoge aus dem 19. Jahrhundert (zweitgrößte nach der in Budapest) und wurde im maurisch-romanischen Stil vollendet. Erwähnenswert ist noch das Franziskanerkloster mit der Mariä-Himmelfahrt-Kirche, die 1295 gestiftet wurde und damit zu den ältesten Bauten zählt.

Das Wetter ist sehr schön, wir können uns ein wenig draußen in den Straßencafés von dem vielen Erlebten erholen. So verbringen wir die Zeit angenehm neben der Kathedrale bis es uns dann langsam Richtung „Schwejk“ zieht. Hier genießen wir ein deftiges, leckeres Abendessen.

Dienstag, den 13. Oktober 2015

Wir fahren zurück und nehmen Abschied. Über Selb verlassen wir Böhmen. Nun freuen wir uns nun schon auf Weimar. Hier machen wir einen ausgedehnten Zwischenstopp. Es ist auf einmal sehr kalt geworden. Deshalb machen wir uns gleich zur Stattführung auf – Startpunkt ist der Goetheplatz.

Wir sehen das Deutsches Nationaltheater, das einst von Goethe gegründete Hoftheater bietet heute Oper, Schauspiel und Konzerte, weiter geht es zum Schillers und dann zu Goethes Wohnhaus und weiter zum 200-jährigen Ginkgo Baum am Weimarer Fürstenhaus. Von hier aus gibt es einen kurzen Abstecher zum Park an der Ilm, von den Weimarern kurz “Goethepark“ genannt, mit Ausblick auf Goethes Gartenhaus. Wieder zurück, kommen wir an der Herzogin Anna Amalia Bibliothek vorbei mit Blick auf das Stadtschloss, welches der Regierungssitz und Wohnstätte der Herzöge und Großherzöge von Sachsen-Weimar-Eisenach war.

Danach geht’s zum Marktplatz mit Rathaus, Cranachhaus und dem Hotel Elephant. Hier schlagen einige von uns zum zweiten Mal zu: Thüringer Rostbratwurst. Zurück führt uns der Weg vorbei an St.-Peter-und-Paul zum Bus.

Wir sind einhellig der Meinung, dass Weimar sich unbedingt gelohnt hat und die Führung ein Interesse auf „mehr“ geweckt hat. Sicherlich werden viele von uns hierher zurückkommen, dann aber um auch etwas mehr Kunst zu genießen, sei es im Staatstheater, bei Konzerten oder in einem Museum.

Spät am Abend kommen wir geschafft aber glücklich in Duisburg an. Eine schöne Reise hat ihren Abschluss gefunden.

(Text und Fotos: Dr. Ralf Tempel)