Vortrag von Herrn Hans-Jürgen Reitzig, Hauptgeschäftsführer der Niederrheinischen IHK zu Duisburg a.D.
In den Räumen der SOCIETÄT DUISBURG e.V., 11. November 2015
Schon im Vorfeld erhielten wir viel Zustimmung für das Aufgreifen des Themas in der Societät. Das rege Interesse spiegelt sich auch bei den Teilnehmern der Veranstaltung wieder – die Mitglieder sind wieder sehr zahlreich erschienen.
Natürlich gehört zu so einer Veranstaltung auch ein ordentlicher Rahmen, dieses Mal ist es das Gänseessen. Familie Borgards hat wieder aufs Trefflichste die Räumlichkeiten hergerichtet; die Tische sind fein eingedeckt, der Blumenschmuck ist eine Augenweide und der lodernde Kamin sorgt für Behaglichkeit. Und kulinarisch werden alle Register gezogen: Als Hauptgang gibt es Gans, gefüllt mit Äpfeln, Zwiebeln, Maronen, dazu Kartoffelklöße, Apfelrotkohl und Orangensauce. Einfach lecker!
Der Vorsitzende, Herr Dr. Ralf Tempel, begrüßt alle mit einem kräftigen „Hellau“ – es ist Sessionseröffnung – um sogleich zu St. Martin überzuleiten.
Zu Ehren der heute auf den Tellern liegenden Gänse stimmen wir auch noch das gleichnamige Liedchen an, danach gibt es das große Essen.
Unser heutiger Referent ist Hans-Jürgen Reitzig, u.a. von 1993 bis 2004 Hauptgeschäftsführer der Niederrheinischen IHK zu Duisburg. Seit 2000 ist er ebenfalls Präsident der Duisburger „Gesellschaft Casino”. Ab 2005 begann seine zweite berufliche Karriere: Heute ist er als Berater der Regierung von Brunei tätig; er hilft dort, technische Ausbildung nach deutschem Modell einzuführen.
Das alles sind Voraussetzungen für einen erfolgreichen Abend. Herr Reitzig geht zunächst auf die politische Situation rund um die TTIP Verhandlungen ein. Widerstand (wenn auch klein) gibt es bei der europäischen Bevölkerung, vor allem in Deutschland. Hier kommt es schon zu kampagneartigen Demonstrationen. Dabei geht es bei der Verhandlung des Abkommens um den transatlantischen Handels- und Investitionsschutz. Viele Standards sind ähnlich, könnten gegenseitig anerkannt oder kongruent erweitert werden, so dass auf beiden Seiten des Atlantiks die gleiche Schutzwirkung bestünde. Die Bereiche, bei denen Standards noch zu große Unterschiede aufweisen, müssen eben verhandelt werden.
TTIP wäre besonders bedeutsam für Deutschland, die USA ist unser größter Handelspartner, noch vor Frankreich. Allerdings lauert da noch eine ganz andere Gefahr: Die Neujustierung der Obama-Administration hinsichtlich der wirtschaftlichen Ausrichtung der USA, diese wendet sich zunehmend weg von Europa (ca. 530 Mio. Einwohner) hin zu Südostasien (sollten sich die ASEAN Staaten einigen, dann ca. 620 Mio. Einwohner) über den Pazifik. Das Transpazifische Partnerschaft (TPP) Abkommen ist ratifiziert, aber bisher nur von 12 Staaten unterzeichnet.
Was treibt nun die TTIP Gegner um? Sie stört vordergründig, dass mit TTIP dann auch die Chlor-Hühnchen kommen würden, allerdings wird dabei verschwiegen, dass wir selber Antibiotika-Hühnchen im Handel haben. Der nächste Punkt ist, dass die etwaige Zuständigkeit in Streitfällen bei Schiedsgerichten auf privater Basis liegen würde, aber auch diese Vorgehensweise haben wir längst in Deutschland in Form von RA für Wirtschaftsmediation eingeführt. Der dritte Punkt betrifft den Vorwurf der Aushebelung der EU-Standards. Aber auch hier sieht es so aus, dass die Standards bei Umwelt, Medikamentenzulassung, Finanzprodukten und Korruption in den USA strenger ausgelegt sind, lediglich bei der Chemikalienordnung ist Europa etwas rigider. Sehr anschaulich wird das anhand von Korruptionsfällen (FIFA) und Umweltverstößen (VW); hier gehen die Impulse in der Verfolgung der Verfehlungen von den USA aus.
Und mit dem Protest wollen die Gegner gleich auch noch das bereits ratifizierte CETA Abkommen von Canada und der EU rückabwickeln. CETA wurde von 2009 bis 2014 verhandelt.
Die Argumente der Gegner sind nicht stichhaltig, hinter deren Aktionen steckt CAMPACT, ein Ausrüster für den anspruchsvollen Demonstranten, beheimatet in Verden an der Aller. Hier können Sie alles kaufen, um niveauvoll gegen Alles zu sein.
Dabei ist es so, dass der Abbau von technischen Handelshindernissen – und um nichts weiter geht es hier – den Lebensstandard der jeweiligen Menschen erhöhen. Technische Handelshemmnisse erweisen sich immer als größer als etwaige Zölle. Von diesen Abkommen werden nicht nur große Konzerne profitieren, sondern auch die KMUs. Das Wachstumspotential liegt in der Industrie bei +40%, in der Landwirtschaft gar bei 60%.
Fazit: TTIP muss ein Erfolg werden, anders würde TPP den Standard setzen und Europa würde von der Weltwirtschaft langsam aber sicher abgekoppelt werden.
Lange steht Herr Reitzig für die vielen Fragen zur Verfügung. Sicherlich können nicht alle restlos geklärt werden, das war auch nicht der Sinn des Vortrages, aber das Fördern der Sensibilität für die Notwendigkeit eines derartigen Abkommens wurde erhöht.
Diesen Abend werden wir noch lange in Erinnerung behalten.
(Text: Dr. Ralf Tempel, Fotos: Dr. Michael Greeske)